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Gott im Staubsauger

Fahren Sie des Öfteren Eisenbahn? Man sitzt am Fenster und schaut auf die vorbeirauschende Landschaft. Mitreisende sind oft vertieft in ihre Handys und ihre Kopfhörer scheinen wie Infusionstropfe, welche sie mit ihrer eigenen Welt verbinden. Man selbst geniesst umso mehr die Ruhe, schaut umher und der eigene Atem wie auch der Puls werden langsamer und vereinen sich mit dem gleichmässigen Rattern der Räder. Dieselbe Erfahrung machen Mitfahrende in Autos. Es soll sogar Eltern geben, die ihre Kinder am Abend in ihre Wagen packen und umherfahren, um diese so in den Schlaf zu wiegen. Denselben Effekt erfahre ich, wenn ich länger Staubsauge.

Wieder einmal stehe ich in der Kirche mit dem Staubsauger in der Hand. Gleichmässig gleitet die Bürste über den Boden und der Motor schnurrt, wie eine Katze beim Schmusen. Es dauert nicht lange und der Zugeffekt nimmt mich in seinen Besitz. Es macht Schwupps und meine Gedanken bekommen Flügel, schweifen unkontrolliert umher. Ich bin alleine. Ich bin mir bewusst, dass ich in der Kirche bin und es scheint mir, als würde Gott mit mir kommunizieren. Ich fühle mich wie Don Camillo vor dem Kreuz und mir ist, als spreche Gott mit seiner beruhigenden Stimme aus dem Staubsauger.

 

Ach Herr...

«Ach Herr, wer hat jetzt wieder diesen Kaugummi unter die Bank geklebt?» «Macht nichts.» «Müssen manche Leute immer in der Kirche picknicken?» «Reg dich nicht auf!» «Könnten deine Schäfchen nicht ihre Schuhe, wie zu Hause auch, einfach vor der Tür ausziehen?» «Ach, Daniel, sei gelassen! Ist es nicht schön, dass meine Kinder zu mir in die Kirche kommen, weil du sie gerade mit deiner Putzarbeit sauber hältst?»

Je länger ich staubsauge, desto tiefer gehen meine Gedanken durch den Kopf. «Ach, habe ich mich aufgeregt über … .» «Wie war das schön als … .» Ja – Gott spricht zu mir durch den Staubsauger. Und plötzlich, als meine mentalen Ausschweifungen zu weit gehen, macht es «klapf», begleitet von einem Quietschen, und ich bin wieder voll in der Realität der Gegenwart. Jemand hat seinen Kopf durch die Kirchentür gesteckt und vor lauter Schreck wieder kehrt gemacht. «Oh Gott, das wollte ich nicht.» «Macht nichts, mach dir darüber keinen Kopf. Jetzt geht es um dich. So wie du mein Haus saugst, möchte ich auch deine Gefühle und Gedanken in Ordnung bringen. Und da du jetzt gerade bei mir bist, nütze ich dazu diese Gelegenheit.»

Je länger ich mit Gott im Staubsauger spreche, desto leichter geht mir die Arbeit ab der Hand. Mein Atem wird ruhiger. Manche Aufregungen werden belanglos. Meine anfänglich schweren und hastigen Bewegungen gehen über in eine gleichmässige, tänzelnde Taktbewegung. Sie bewegen sich im Gleichschritt hin und her, hoch und runter. Ebenso meine Gedanken.

«Oh schade, Herr, jetzt bin ich fertig. Jetzt, da ich mit Dir im Einklang bin.» Ich verstaue den Staubsauger in den Schrank und es bleibt mir nur noch eine Verbeugung vor dem Tabernakel: «Danke Herr, dass du mich bei der Arbeit begleitet und mir zugehört hast.»

Es braucht nicht viel, um mit Gott in Kontakt zu kommen. Dem Einen begegnet er im Zug, dem Anderen auf der Autobahn. Manche brauchen die wiederholenden Gebetsketten eines Rosenkranzes, andere das laute Schmettern einer zufallenden Türe. Man muss sich nur bewusstwerden, dass Gott immer und überall ist. Er ist der «Ich bin immer da». Bei dir, bei mir und manchmal sogar im Staubsauger. Du kannst mit ihm sprechen und er redet auch mit dir.

Ihnen wünsche ich eine gesegnete Woche und für die zweite Fastenzeithälfte einen göttlichen Staubsauger für die Seele.

Ilanz, den 21. März 2022, Ihr Sakristan, Daniel Casanova

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